Gymnasium Martinum Emsdetten

Das Coaching-Konzept am Gymnasium Martinum in Emsdetten

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Lerncoaching versus Schülercoaching - Warum wir an unserer Schule beides nutzen!

Seit nunmehr acht Jahren setzen wir am Gymnasium Martinum bei der individuellen Förderung von Schüler*innen auf Coachingangebote. Unser Lerncoachingangebot zielt dabei auf versetzungsgefährdete Schüler*innen, denen auf der Verhaltensebene durch die Vermittlung von Lernstrategien Unterstützung angeboten wird. In manchen Fällen erreichen wir damit unser selbstgestecktes Ziel, und die Versetzung wird erfolgreich gemeistert. Leider aber war der Effekt des Lerncoachings zu oft nicht nachhaltig genug, und die Schüler*innen fielen in alte Muster zurück. Nach der erfolgreichen Versetzung traten die alten Probleme dann wieder auf, und alles begann von vorne.

Darüber hinaus stellten wir weiteren Coachingbedarf fest: Selbstbewusstsein stärken, Prüfungsangst überwinden, Stress regulieren und Selbstmotivation entwickeln. Das sind für viele Schüler*innen häufig Hürden, die ihnen das erfolgreiche Schulleben erschweren. Auch hier wollten wir mit einem professionellen Coachingansatz unsere Lernenden unterstützen und so Persönlichkeitsentwicklung ermöglichen.

Bei der Suche nach einer Intervention, die nachhaltig wirkt und Schüler*innen eine Veränderung auf der Persönlichkeitsebene ermöglicht, entschieden wir uns für das SchülerCoaching nach dem Osnabrücker Modell (Carola Heumann). Wie sich herausstellen sollte, die ideale Ergänzung. Denn das Arbeiten auf der Ebene der inneren Haltung nimmt einschränkende Überzeugungen in den Blick und ermöglicht die gewünschte persönliche Entwicklung.

Grundlage für ein Schülercoaching ist die Arbeit mit einem komplexen Persönlichkeitstest, dem sog. PSI-Test. Dieser misst sowohl die Selbststeuerungskompetenzen des jungen Menschen, beispielsweise seine Möglichkeiten zur Selbstmotivierung, zur Selbstberuhigung, seinen Umgang mit Misserfolg und auch vor größeren Schwierigkeiten, und viele weitere Kompetenzen mehr, die für schulischen und persönlichen Erfolg entscheidend sind. Der Coach nutzt neben seiner Fähigkeit zum einfühlsamen und reflektierenden Gespräch diese fundierte wissenschaftliche Diagnostik, um die Ursachen der vorliegenden Probleme zu erkennen, Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und vorhandene Ressourcen sichtbar zu machen. Denn häufig ist dem Lernenden nicht bewusst, was seine Stärken sind, und wo die Ursache für seine aktuellen Schwierigkeiten liegt. Das ist hilfreich, um sich selbst besser zu verstehen, Veränderungswünsche zu reflektieren und die richtigen Ziele zu finden.

Ausgehend von dieser intensiven "Wie bin ich jetzt"-Analyse, kann nun das Coaching beginnen und sich der Frage widmen, wie der Schüler*in zukünftig sein möchte. Dabei ist der Erkenntnisgewinn der Ist-Situation für den Lernenden meist schon der erste Schritt zu einem langfristigen Wandel.

Am Gymnasium Martinum haben sich beide Coaching-Formen mittlerweile sehr gut etabliert. Die Anmeldezahlen der Schüler*innen, die sich für ein Coaching interessieren, nehmen stetig zu, so dass bald ein Team von sieben Coaches die Schüler*innen in ihren jeweiligen Problemsituationen passgenau unterstützen kann.

Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen unserer Schule wissen um diese Möglichkeiten und nutzen sie gerne. Sie werden als Entlastung und Unterstützung in belastenden Situationen vielfach angenommen und geschätzt. Insgesamt ist die Schulgemeinde froh, dass wir nun mit beiden Angeboten verschiedenen Coachinganliegen gerecht werden können.

Im Folgenden möchte ich zwei Fallbeispiele aus unserer Arbeit erläutern:

Jonas

Jonas ist Schüler der Oberstufe und steht kurz vor dem Abitur. In Klasse 9 hatte er bereits unser schulinternes Lerncoaching durchlaufen.

Nun aber holte ihn seine Prüfungsangst wieder ein: sowohl vor der theoretischen Führerscheinprüfung als auch bei der Vorbereitung auf das Abitur zeigte er große Selbstzweifel und Versagensangst. Im SchülerCoaching lernte ich ihn nun näher kennen: Der PSI-Test von Jonas zeigte, dass sein Alltagsstress unter dem für sein Alter durchschnittlichen Wert lag. Das war in diesem Zusammenhang sicherlich eine Ressource für ihn. Außerdem zeigte sich, dass er in der Lage war relativ angstfrei auf seine Ziele zuzugehen. Auch das war für ihn sicherlich hilfreich und konnte ihm in diesem Zusammenhang als persönliche Stärke dienen. Die Rückmeldung über diese Ressourcen, die in ihm persönlich liegen, und die die Diagnostik aufzeigte, tat ihm sichtlich gut, und war ein erster Schritt auf dem Weg der Veränderung. Jetzt wusste er, auf welche Stärken er sich – trotz seiner starken Unsicherheiten- verlassen konnte. Es wurde durch den Test allerdings auch deutlich, in welchen Bereichen Jonas gut Unterstützung gebrauchen konnte, um seine Ziele zu erreichen. Misserfolge, zum Beispiel, führten ihn immer wieder in eine grübelnde Gedankenspirale, aus der er aus eigener Kraft nicht wieder hinausfand. Darüber hinaus zeigte sich, dass er in Stresssituationen den guten Kontakt zu sich selbst verlor und nicht mehr fühlte, was gut und richtig für ihn war, und was er brauchte, um sich wieder besser zu fühlen. Es ging also auch darum, sein Selbstgespür, seinen eigenen inneren Kompass, zu stärken.

Im Coaching erarbeiteten wir zusammen ein sog. Mottoziel (ZRM®). Dieses ermöglichte es Jonas, sowohl seine bewussten Wünsche und Motive als auch unbewusste Bedürfnisse in eine neue innere Haltung fließen zu lassen. Es ermöglicht ihm, seine Herausforderungen mit einer neuen Perspektive und im Vertrauen auf seine eigenen Fähigkeiten anzugehen.

"Wie ein BMW X5 bin ich ruhig und entspannt unterwegs und passiere sicher alle Hindernissen auf meinem Weg. Selbst wenn es mal ruckelt bleibe ich souverän, behalte die Übersicht und halte meine Spur. So kann ich selbstbewusst und angemessen zeigen, was in mir steckt und meine Stärken auf die Straße bringen."

Jonas hat inzwischen erfolgreich seinen Führerschein bestanden und mit gestärktem Selbstvertrauen sein Abitur erreicht.

Vanessa

Auch Vanessa suchte beim Coaching-Team Unterstützung. Sie war Schülerin der Oberstufe und zeigte gute schulische Leistungen. Trotzdem fehlte ihr ein gutes Selbstbewusstsein und auch im Umgang mit anderen fühlte sie sich isoliert und unsicher. Erschwerend für sie war außerdem, dass sie sich aktuell in einer Bewerbungssituation befand.

Alle bisherigen Bewerbungsgespräche waren für sie nicht erfolgreich gelaufen. Durch ihre Unsicherheit konnte sie sich nicht angemessen präsentieren. Diese aktuellen Misserfolge nagten zusätzlich an ihrem Selbstbewusstsein, und schwächten ihr Selbstbild, sodass ihre Unsicherheiten nur umso stärker wurden.

Der PSI-Test bestätigte, dass Vanessa eine starke Neigung zum Grübeln und eine kritische bis ängstliche Verfasstheit zeigte, die sich durch alle Motive ihrer Persönlichkeit zog.

Ihre Selbststeuerungskompetenzen hingegen waren alle überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Ganz offensichtlich verfügte sie über viele wichtige Selbstkompetenzen, die ihr halfen, trotz großer Anspannung und Druck, ihre Ziele zu erreichen. Ganz sicher war das eine große Ressource, die sie für sich nutzen könnte, sobald es ihr insgesamt besser gehen würde.

Zunächst einmal nutzten wir das sehr gute Ergebnis ihrer Selbststeuerungskompetenzen. (Für PSI-Kenner: Gerade in den Bereichen Planungsfähigkeit und Initiative sowie HOP prospektiv wies Vanessa überdurchschnittlich hohe Werte aus). Im Coaching arbeiteten wir heraus, dass gerade diese Kompetenzen sie zu einer exzellenten Mitarbeiterin in einem Team qualifizieren. Im Bewusstsein dieser Stärken konnte Vanessa im nächsten Bewerbungsgespräch ganz anders auftreten. Erfreulicherweise zeigte sich diese neue Haltung auch in einem Stellenangebot, was sie daraufhin erhielt.

Die Entwicklung ihres persönlichen Mottoziels half ihr, aus dem Grübeln herauszukommen, und positiver auf sich selbst und andere zu schauen, und darüber hinaus in Gemeinschaft mit anderen neu zu denken, zu fühlen und zu handeln.

Durch ihre positivere und offenere Ausstrahlung und dank ihrer neuen inneren Haltung fand sie wieder Anschluss in ihrer Jahrgangstufe. Inzwischen hat auch Vanessa das Abi an unserer Schule erfolgreich absolviert.


Stefanie Beike, zertifizierter SchülerCoach

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